Unerwünschte Hintergrundgeräusche reduzieren – Noise Cancelling, Over-Ear und High Fidelity. Die technologisch angebahnte Utopie der Geräuschunterdrückung prägt vor allem im urbanen Raum das subjektive Hörerlebnis. Eingespannt zwischen zwei Ohrmuscheln werden lärmgebende Orte und Situationen ausgeblendet. Die Soundinstallation caged lässt diese vermeintlichen Störsignale der Stadt zusammen mit einer klanglichen Komposition und Kontemplation in den Tiefgarten ein.
Fokus reduzieren
Der 40-minütige Klangteppich, der sich in die Kieswege, Mauern und Buchsbaumhecken des Tiefgartens einwebt, zerfasert hierbei bewusst innerhalb der Studioaufnahmen aus Synthesizer- Arrangements und Field Recordings, aus denen er gestaltet ist. Den ohnehin bereits heterogen erschlossenen Raum des sogenannten Bürgergartens zwischen Medusen-Brunnen und Jugendkultur deutet Schmidt hierbei in seiner Komposition für den Soundpark in einem Spannungsfeld über Soundscape, Melodie und Landscape aus. Während die melodischen Sequenzen an die sonstige Arbeit Schmidts im Bereich der elektronischen Musik anschließen, nehmen mitunter Momente einer geplanten Zufälligkeit Einzug in die Aufnahme, wenn etwa der Vogelgesang der Field Recordings mit tierischen und menschlichen tweets im Tiefgarten verwächst.
Immersion und Irritation
Abseits eines auferlegten Hörauftrags können Besuchende entlang der sich extensiv und repetitiv entwickelnden Klangflächen Teil der akustischen Immersion werden, welche zuweilen mit Bedacht aufgebrochen wird. Durch Verfremdungen wie Echo-Effekte auf dem Tirilieren der Vögel oder Verzerrungen sind Sollbruchstellen für die Rezeption eingearbeitet, die den Tiefgarten auch als Ort der Scheinruhe zwischen retrofiziertem Naturidyll und Stadtrauschen verhandeln und mittels Störungen in der Soundspur mit der radialen Anlage des Gartens kontrastieren.
Akustische Umwelt
Als „gleichgültig und interessant“ hat Brian Eno das Genre der Ambient Musik einzukreisen versucht. Mühelos ließe sich caged mit Blick auf die Verwendung von Naturklängen, der Abwendung von klaren Strukturen und klanglichem Maximalismus in diese Tradition mit ihren Wurzeln in den frühen 70er Jahren einreihen. Vermutlich ist auch das Wortspiel im Titel der Soundinstallation kein Zufall und dann doch eben qua dieses Prinzips eine Fluchtlinie zu den experimentellen Kompositionen John Cages. Mehr noch aktualisieren sich hier die Überlegungen der Klangkünstlerin und Forscherin Hildegard Westerkamp zu akustischer Ökologie, welche letztlich natürliche (Vögel), anthropogene (Verkehr) und kulturelle Geräusche (Sprache) gleichberechtigt zusammenführte und in gemeinsamen Soundwalks erfahrbar machte.
Text © Natalie Wilke
Der saasfee*soundpark ist ein Projekt des Künstler:innenkollektivs saasfee* und ist Teil des Ausstellungsprogramms des Pavillons. 2017 startete dieses eigenständige und neue Format für Klangkunst, zu dem saasfee* ausgewählte Musiker:innen einlädt, eine ortsspezifische Klanginstallation oder Soundcollage zu komponieren. Der unterhalb des Pavillons liegende Tiefgarten ist die räumliche Vorlage für die Entwicklung der Kompositionen, die, als künstlerische Interventionen, im öffentlichen Raum bewusste Momente der sinnlichen Irritation kreieren sollen und eine akustische Aufforderung an den Rezipienten sind, das vertraute Terrain neu zu erleben.